Frauen in den Streitkräften: Alina, Rettungssanitäterin und Mitglied des Kyjiwer Stadtrats, kehrte erneut an die Front zurück
Seit den ersten Tagen der russischen Aggression gegen die Ukraine im Jahr 2014 haben Frauen die Ukraine verteidigt, und seit dem Beginn des umfassenden Krieges sind noch mehr Frauen in die Reihen der ukrainischen Armee und der Freiwilligenbataillone eingetreten. Im November 2022 dienten und arbeiteten fast 60.000 Frauen in den Streitkräften der Ukraine.
Alina Mykhailova ist Leiterin des ULF-Sanitätsdienstes der Spezialeinheit “Da Vinci Wölfe” der Streitkräfte der Ukraine. “Ich bereite mich immer auf das Schlimmste vor. Wenn es passiert, bin ich bereit. Wenn nicht, bin ich trotzdem bereit”, sagt die 28-jährige Frau. Hier ist ihre Geschichte.
Alina Mykhailova hat keine besonders patriotische ukrainische Erziehung genossen. Sie wuchs in einer russischsprachigen Umgebung auf und besuchte eine russischsprachige Schule in Dnipro. In der neunten Klasse wollte sie an einem Austauschprogramm in Deutschland teilnehmen – sie plante, dort zu bleiben, ihr Leben und schließlich ihre Karriere aufzubauen. Doch sie zog nach Kyjiw und studierte stattdessen an der Philosophischen Fakultät der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität.
“Die Universität hat mich verändert. Dort begann das Umfeld, mich zu gestalten, und mein Studium füllte mich mit Sinn aus. Wir haben viel hochwertige Literatur gelesen und wichtige Fragen aufgeworfen, über die ich vorher nicht einmal nachgedacht hatte”, erzählt Alina Mykhailova.
Der Euromajdan hat begonnen, und dann auch der Krieg. Dies wurde zum Ausgangspunkt — im Februar-März 2014 wurden Alinas nationale Identität und Werte geformt. Zu dieser Zeit war Mykhailova 19 Jahre alt. Alina schloss sich sofort den Freiwilligen an — sie half den Soldaten bei der Suche nach Ausrüstung, Medikamenten und Lebensmitteln. Später eröffnete sie ein Büro der Freiwilligenorganisation “Armee SOS” in Dnipro, wo sie auch heute noch arbeitet.
“Ich hatte meinen eigenen Sektor — die Region Donezk. Zwei Jahre lang bin ich etwa 2-3 Mal pro Woche an die Front gegangen und habe alle notwendigen Sachen für das Militär mitgebracht”, sagt Mykhailova.
Im Herbst 2016 ging Alina als Notfallsanitäterin an die Front. Ihr erster Einsatz war in Schyrokyne, in der Region Donezk, als Teil des Freiwilligen Sanitätsbataillons der Hospitaller. Im selben Jahr starb ein enger Freund von Alina.
“Das war ein schmerzhafter Verlust für mich. Dann habe ich beschlossen, entweder die Freiwilligenarbeit aufzugeben und mein Studium fortzusetzen, oder mehr zu tun — ich ging an die Front. Mir war es klar, dass ich als Schütze nichts nützen würde. Ich habe mir überlegt, ob ich ohne medizinische Ausbildung als Notfallsanitäterin arbeiten kann”, sagt die Soldatin.
Ihre ersten theoretischen Kenntnisse in der Medizin erwarb sie im Kurs der Hospitaller und gründlicher Praxis bei ihrer ersten Rotation. Sie erinnert sich noch gut an den ersten Verwundeten. Dann explodierte eine Mörsergranate — ein paar Männer starben, aber einer überlebte. Es war ein Soldat aus Drohobytsch in der Region Lwiw. Seine Gliedmaßen waren von Splittern zerfetzt.
Im Juni 2017 gründete die 23-jährige Alina Mykhailova den ULF-Sanitätsdienst in der Ersten Gesonderten Sturmabteilung des Ukrainischen Freiwilligenkorps des Rechten Sektors.
Ende 2017 verfügte das ULF bereits über zwei Mannschaften in zwei Krankenwagen, die mit Beatmungsgeräten, Sauerstoff, Ultraschallgeräten, Nodal-Tourniquets und Knochenkathetern ausgestattet waren.
“Damals tadelten uns viele der Militärärzte der benachbarten Einheiten, weil wir mit Sauerstoff fuhren — das ist riskant, weil er explodieren kann, wenn er von einem Splitter getroffen wird. Allerdings ist niemand irgendwo davor sicher. Zu dieser Zeit wäre es sehr schwierig gewesen, kritische Patienten ohne Sauerstoff zu evakuieren”, erzählt die Leiterin des Sanitätsdienstes.
Im Jahr 2019 kehrt sie aus dem Krieg ins zivile Leben zurück und kandidiert als Abgeordnete für den Stadtrat von Kyjiw. Sobald Russland eine umfassende Aggression startet, kehrt Alina wieder an die Front zurück.
Derzeit gibt es zwei Anästhesisten, zwei medizinische Assistenten und zwei zertifizierte Notfallsanitäter mit Erfahrung im ULF-Sanitätsdienst. In Kürze werden ein Chirurg und zwei weitere Sanitäter das Team ergänzen. Darüber hinaus hat das ULF mit der Bluttransfusion begonnen — das Kommando des Sanitätskorps der ukrainischen Streitkräfte unterstützte die Initiative, so dass die Sanitäter während der Evakuierungsphase den Verwundeten mit schweren Verletzungen Blutkomponenten verabreichen konnten.
“Wenn meine Leute unterwegs sind, bin ich ruhig, weil ich weiß, dass wir alle Medikamente haben, um die Verwundeten zu retten, egal um welche Art von Verletzungen es sich handelt. Und es gibt Spezialisten im Team, die das tun können. Vor dem umfassenden Krieg war es sehr schwierig, Fachleute zu finden, denn wir waren Freiwillige, und wegen der fehlenden Gehälter war es schwierig, Personal zu rekrutieren”, sagt Alina Mykhailova.
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs befand sich Mykhailova in Awdijiwka und wartete darauf, zu den Verwundeten gerufen zu werden. Als Leiterin des Sanitätsdienstes versorgt Alina die Einheit mit allem, von Medikamenten bis hin zu alltäglichen Dingen, sie kümmert sich um die Rekrutierung, tauscht sich mit anderen Einheiten aus, nimmt an Besprechungen teil, setzt Mannschaften ein und ist selbst im Dienst.
Übersetzt von Anastasiia Belanova