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Die Digitalisierung ist zu einem unentbehrlichen Begleiter im Kampf um Transparenz in der Ukraine geworden, und hier ist der Grund hierfür

Sich als Einzelunternehmer anmelden, Steuern zahlen, eine Baugenehmigung beantragen, die Wohnsitzanmeldung aktualisieren und mehr als hundert weitere Dienstleistungen online in Anspruch nehmen, ohne das Haus zu verlassen – das ist die Realität in der Ukraine.

Das ist bequem, schnell und effizient für alle. Darüber hinaus ist die Digitalisierung der öffentlichen Dienste zusammen mit den Online-Registern ein großer Schritt in Richtung Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Ukraine. Die positiven Auswirkungen lassen sich sogar in Geld messen: Allein in den Jahren 2020-2021 belaufen sich die wirtschaftlichen und korruptionsbekämpfenden Auswirkungen der Einführung von Online-Diensten auf mehr als 16,3 Milliarden UAH (fast 419 Millionen USD).

Präsentation der Diia-App, die den Grundstein für das digitale Ökosystem in der Ukraine legt.
Foto: „Diia”-Pressedienst 

Die russische Invasion hat die Idee, Informationen offen und online zu veröffentlichen, vor neue Herausforderungen gestellt, konnte aber die Innovationen, die die Art und Weise, wie die Ukrainerinnen und Ukrainer in den letzten Jahren mit dem Staat interagiert haben, verändert haben, weder aufhalten noch umkehren.

Ein Parlamentarier lebt über seine Einkünfte? Alle werden es erfahren

Nachdem die Ukraine 2014 unumkehrbar den Weg der europäischen Integration eingeschlagen hat, hat das Land mit der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzespakets eine Reform der Korruptionsbekämpfung eingeleitet.

Der Staat hat ein elektronisches Meldesystem eingeführt, das seit 2017 für alle Kategorien von öffentlichen Bediensteten verbindlich ist. Dabei handelt es sich um eine öffentliche Erklärung über alle Einkünfte, größeren Ausgaben, Vermögenswerte und Ersparnisse. Das Register der Erklärungen ist zur weltweit größten online verfügbaren Datenbank über das Vermögen von Beamten geworden.

Bild zur Veranschaulichung: der Prozess der Einreichung der Erklärung.
Foto: NAPC

Das Bedürfnis nach Transparenz und Rechenschaftspflicht war einer der Hauptgründe für die Einführung dieses Systems. Die Erklärungen helfen bei der Aufdeckung von Korruptionsplänen, die sich aus der Diskrepanz zwischen dem Einkommen einiger Beamter und ihrem Lebensstil ergeben. Da die Berichte öffentlich sind, hat sich das Instrument nicht nur für die Antikorruptionsbehörden, sondern auch für Journalisten, Aktivisten und die Zivilgesellschaft im Allgemeinen als nützlich erwiesen. 

Allein im Jahr 2021 hat die Nationale Agentur für Korruptionsprävention in mehr als 1.000 Erklärungen unrichtige Angaben im Wert von über 1,2 Milliarden UAH festgestellt.

Bildschirmfoto: NACP-Anti-Korruptions-Portal

Die Kontrollen betreffen nicht nur Beamte, sondern auch politische Parteien: Sie sollen offenlegen, woher sie ihre Mittel beziehen.

Der Staat im Smartphone

Nicht nur Erklärungen von Politikern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurden digitalisiert, sondern auch das Register und die Dienstleistungen für ukrainische Bürger und Unternehmen. 

Mit der Einführung elektronischer Dienstleistungen auf staatlicher Ebene wurden mehrere Ziele verfolgt: Verringerung des „menschlichen Faktors“, Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen, Bekämpfung der Korruption und Vereinfachung der Verfahren selbst.

Diia ermöglicht den Zugriff auf zahlreiche Dokumente über das Smartphone.
Foto: Ministerium für digitale Transformation der Ukraine

Um elektronische Dienstleistungen noch bequemer zu machen, hat das Ministerium für digitale Transformation der Ukraine den Dienst Diia entwickelt. Er wird auch “der Staat im Smartphone” genannt, weil er es den Nutzern ermöglicht, staatliche Dienstleistungen online zu erhalten, sogar von ihren Smartphones aus.

Gegenwärtig gibt es in der Ukraine 107 elektronische Dienstleistungen, die von der Erklärung und der Erteilung von Fördermitteln für Unternehmen bis hin zur Beantragung von Heiratseintragungen, Namensänderungen und sogar dem Austausch von Glühbirnen reichen.

Laut Mychajlo Fedorow, Vizeministerpräsident und Minister für digitale Transformation der Ukraine, beläuft sich der wirtschaftliche und korruptionsbekämpfende Effekt der Einführung von Online-Diensten allein in den Jahren 2020-2021 auf mehr als 16,3 Milliarden UAH (fast 436 Millionen USD). Der potenzielle Antikorruptions- und Wirtschaftseffekt der Digitalisierung über einen Zeitraum von zwei Jahren beläuft sich auf 48 Milliarden UAH (1,3 Milliarden USD).

Eines der krassersten Beispiele ist der Bausektor, in dem 2021 ein neues staatliches Bauregister und ein neues einheitliches staatliches elektronisches System eingeführt wurden. Allein im Jahr 2022 führte diese Digitalisierung zu einem Korruptionsbekämpfungseffekt von 1,5 Milliarden UAH und zu Einsparungen von 9,6 Milliarden UAH. Die Ukrainerinnen und Ukrainer können 14 Baudienstleistungen online in Anspruch nehmen: von der Genehmigung für den Baubeginn bis zur Bescheinigung über die Inbetriebnahme. Keine Warteschlangen, kein Papierkram und vor allem keine Bestechungsgelder.

Ein weiteres erwähnenswertes Beispiel ist die elektronische Krankschreibung. Ärzte und Patienten haben sich schnell an das neue System gewöhnt, und im ersten Betriebsjahr wurden 10 Millionen elektronische Krankenscheine ausgestellt. Zum einen wurde das Leben von Ärzten und Patienten erheblich erleichtert, zum anderen spart der Staat jährlich 4 Milliarden UAH.

Korruptionsbekämpfung trotz Russland-Krieg im Plan

Die groß angelegte russische Invasion hat viele neue Sicherheitsrisiken mit sich gebracht. Daher wurde der Zugang zum öffentlichen Teil der elektronischen Meldung und zu einigen anderen Registern vorübergehend eingeschränkt, damit die persönlichen Daten der Meldepflichtigen und ihrer Familienangehörigen unter Kriegsrecht geschützt werden. Keines der Register wurde jedoch vollständig geschlossen.

Am 20. September 2023 hat die Werchowna Rada der Ukraine das Gesetz über die Wiedereinführung der elektronischen Deklaration für staatliche und lokale Regierungsbeamte erneut verabschiedet. Das Gesetz sieht Ausnahmen für Militärangehörige, Sonderpolizisten sowie Verwundete, Kriegsgefangene, Friedenstruppen und Personen in vorübergehend besetzten Gebieten vor – ihre Erklärungen werden ab sofort nicht mehr veröffentlicht.

Foto: Werchowna Rada der Ukraine

Trotz der groß angelegten Invasion Russlands war das Jahr 2022 ein Meilenstein für die staatliche Antikorruptionspolitik. So wurde die Antikorruptionsstrategie bis 2025 verabschiedet, deren Umsetzung zu jährlichen Einsparungen von bis zu 200 Mrd. UAH führen könnte.

Die Digitalisierung bleibt eines ihrer wichtigsten Prinzipien. Sie zielt darauf ab, den „menschlichen Faktor“ bei der Erbringung von Dienstleistungen zu verringern und die Transparenz und Effizienz in den Beziehungen des Staates zu den Bürgern und Organisationen zu erhöhen. Bis 2025 planen verschiedene Ministerien und staatliche Einrichtungen die Einführung von 48 zusätzlichen digitalen Produkten. Dazu gehören beispielsweise der Städteentwicklungskataster oder das Verzeichnis des Kulturerbes. Die militärische Aggression Russlands hat einen weiteren Schwerpunktbereich geschaffen, in dem Transparenz unabdingbar ist: den Wiederaufbau nach dem Krieg.

Die Einführung elektronischer Dienste auf staatlicher Ebene erleichtert den Bürgern das Leben und stärkt ihr Vertrauen in die Regierung. Gleichzeitig hilft sie dem Staat, korrupte Praktiken zu verhindern und die Organisatoren und Beteiligten vor Gericht zu bringen. 

Und das funktioniert in der Ukraine: Das Land hat es geschafft, selbst angesichts eines umfassenden Krieges nach Transparenz zu streben – und sogar einige Lösungen wie “Diia” ins Ausland zu exportieren.